23. Februar 2019 Fast Zinierend Manche sind fasziniert, beim Anblick einer Blume und manche nur fast. Lesen Sie hier, wie sich staunende Wahrnehmung über all die faszinierenden Schönheiten des Alltags auswirkt. Für viele Menschen ist die Welt nur fast zinierend. Selbst der Anblick einer Morgenlandschaft lässt einen nicht mehr erzittern. Einmal war in meinem Seminar ein Chefarzt einer Klinik, dem ich die Hausaufgabe gegeben hatte, täglich 3 Dinge des Alltags wahrzunehmen, vielleicht sogar zu bestaunen, so wie man als Kind mit offenem Mund vor einem Bagger stand. Seit 25 Jahren geht er jeden Tag in die Klinik, und hat erst durch diese kleine Übung bemerkt, dass es einen wunderschönen Klinikgarten gab! So läuft man vorbei an den Wundern des Lebens. Ich denke an Joshua Bells virtuoses Geigenspiel in einem U-Bahnhof, kaum einer nahm es wahr. Oder an Marhsall B. Rosenberg, der sagte: See me beautiful… Hier kommt der systemische Gedanke schon so wunderbar zum Anklang, es ist nicht das betrachtete Objekt an sich, es ist mein Blick, der es verwandelt. Okay, manchmal mag es schwer zu sein, Schönheit zu erkennen, in dem Moment, in dem einen jemand anschnauzt, das wäre jetzt schon was für Fortgeschrittene… Nebenbei gesagt ist die faszinierte Aufmerksamkeit eine ganz andere, als die, die wir normalerweise beim Durchgehen der 6. Excel – Liste haben… Wann haben Sie sich zum letzten Mal Zeit genommen, einen Regenwurm zu beobachten, so lange, bis der kleine Kerl wieder ganz in der Erde verschwunden ist? Vielleicht gelingt es Ihnen ja heute, Schönheiten zu sammeln, Augenblicke, jemand läuft leichtfüßig die Treppe hinunter, eine trägt einen blumigen Rock, irgendwo summt ein Bienchen, jemand sagt NEIN zu mir, und damit JA zu sich, kaltes Wasser riecht anders als Warmes – nehmen Sie das auch so wahr? In dem Moment, in dem wir WAHR nehmen, (welch schönes Wort) sind andere Hirnareale aktiviert, als in den Momenten in denen wir uns ärgern, Nach-denken oder ängstigen. Man rutscht dadurch ganz elegant in das Jetzt. Wahrnehmung und Einfühlung ist sehr schwer in Stressmomenten – und andererseits wird es sehr schwer, gestresst zu sein, in dem Moment, in dem man wahrnehmend und einfühlend bleibt. Interessanterweise aktiviert Meditation zum Beispiel die Areale im Hirn, die für Einfühlung zuständig sind. Hirnforscher der Harvard-Universität konnten wohl nachweisen, dass bereits nach 8 Wochen Meditation sich im Hippcampus die grauen Zellen sich verdichteten. Dieser Teil des Gehirns ist für Mitgefühl, Bewusstsein und Selbstreflexion verantwortlich. Zudem ist der Stress-Level gesunken! Das ist doch eine schöne Ausbeute von täglich 27 Minuten Nichts-Tun… Eine kleine Fingerübung möchte ich Ihnen deshalb heute vorschlagen: Bei mir: Vielleicht finden Sie 3 faszinierende Kleinigkeiten, die Sie an sich mögen? (Vielleicht sind Ihre Ohrläppchen von außergewöhnlicher Schönheit, oder Ihre dankbare Hinwendung geht an Ihre Lunge, was besonders für Raucher sehr empfehlenswert wäre…) Bei Kollegen, Freunden, Familie: Was mag ich, was tut mir gut, welche Geste, welches Wort, welcher Duft, welche Handlung löst Wohlwollen, Dankbarkeit oder Freude in mir aus? Bei Arschengeln: Vielleicht müssen wir hier, bevor wir mit der Übung beginnen, den Begriff Arschengel klären: Das sind Menschen, die einen aufregen, die man einfach nicht mag, und dies sehr heftig. Die einem das Leben schwer machen. Diese Arschengel sind bittere Lehrmeister, sie helfen einem zum Beispiel dabei, sich selber besser kennen zu lernen, neue Fähigkeiten, wie z.B. Abgrenzung zu erlernen oder die eigene Macht endlich einzusetzen. Und jetzt zur Übung: “See me beautiful…”: Was ist das Schöne, das Besondere, das durch Einfühlung verwandelte oder fasziniert Bestaunte, wie z.B. “Respekt, der kann aber meckern, das kann traue ich mich gar nicht…” Wenn Sie das praktizieren können und wollen, sind sie sicher kurz vor der Erleuchtung, hier übt man im Schnitt 80 Jahre. Aber Sie lösen sehr schnell die ärgerliche Verbindung, ein fantastisches Heilmittel! So könnte es einem gelingen, dass die Welt nicht nur fast zinierend ist, sondern faszinierend… Sollte dies noch nicht gelingen, empfehle ich, das Lied “What a wonderful world” täglich 3 mal zu hören, und sich bewusst zu machen, dass Menschen sich im Laufe der Geschichte das Schrecklichste bereits angetan haben – und eben auch das Schönste. Nur, worauf wende ich meinen Blick? Das Schöne zu sehen heißt nicht, dass man rumläuft wie ein bekifftes Eichhörnchen, sondern bescheiden wird, im “Sowohl – als auch”. Es gibt sowohl das Schreckliche, als auch das Schöne. Und was ist im Moment dienlicher, wahrzunehmen?