„Da muss mal jemand Kompetentes ran…“

Das sagte eine Führungskraft vor der versammelten Mannschaft, zu dem Leiter dieses Kompetenzbereichs. Was sagt man denn da in einer solchen Situation? Wie schafft man es, dass man in einer solchen Situation nicht frustriert zurückbleibt? Ich gehe davon aus, dass die Kompetenz des Herren uneingeschränkt ansonsten in diesem Unternehmen respektiert wird.

An dieser Stelle könnte ich ohne Mühe eine Liste der Killerphrasen aufschreiben, die ich im täglichen Coaching so höre. Immer noch sind Sätze wie „Das können Sie als Frau nicht verstehen“ keine Ausnahme. Diese Sätze, die oft nur im Nebenbei schnell gesagt werden, wirken oft noch viele Jahre nach. Und zwar nicht nur bei demjenigen, der getroffen wurde, sondern auch bei denen, die in diesem Moment Zeugen der Erniedrigung wurden – und keine Kraft oder Ressourcen hatten, diese Täter-Opfer Spiele zu durchbrechen.

Das Handbuch des Nichts-Tun

Also nochmal, was sagt man in einem solchen Moment? Ohne Schnappatmung zu bekommen, oder in diese freundliche Einladung auf eine Verbindung durch Ärger oder Kampf einzustimmen? Ohne nächtelang wach zu liegen und zu grübeln? Was sagt man, um seine Würde zu bewahren, und solche Aussagen bestmöglichst zu unterbinden? Bitte nie niemals nicht: Ironie, zynischer Humor, Gegenangriffe oder gar Verteidigungen, auch wenn es noch so schwer fällt. Diesen kleinen Gruß aus dem Reptilienhirn sparen wir uns.

  • Tief durchatmen.
  • Ein kleines Beratergrunzen. So. Aha.
  • Eine Wiederholung: „Habe ich richtig verstanden, Sie sagen, dass ich, als erfahrener Leiter dieses Kompetenzbereichs nicht kompetent sei, die Anschaffung eines Feuerlöschers zu entscheiden?“
  • Und dann bitte: Schweigen. Sollte es jetzt schon sein, dass der Andere zurück rudert, machen Sie nichts. Keinen Krieg.
  • Nur kurz nicken und zur Sache zurück kehren.

Oder: Habe ich richtig verstanden, dass Sie der Meinung sind, dass Frauen diese Sachverhalte nicht verstünden? Das ist interessant. Wir können gerne später über Ihr Frauenbild diskutieren, jetzt würde ich gerne zu Punkt A zurückkehren. Bitte achten Sie auf das Konjunktiv, und dass Sie die Wiederholung ins Allgemeine stellen, nicht auf sich persönlich beziehen!

Nicht einsteigen, bitte nicht diese Sätze in das Verletztheitsnetzwerk überführen. Eher in einer Art Erstaunen diesen Satz wiederholen, so, als ob es ganz und gar wunderlich wäre, was dieser Mensch da gerade sagt. Nicht Sie persönlich sind mit solchen Sätzen gemeint. Und bitte die Würde des Anderen bewahren, nicht nachtreten.
Die Würde des Menschen ist unantastbar
Bitte gestatten Sie mir an dieser Stelle auch noch einen Wunsch an die Zeugen solcher Sätze: Auch Sie können jederzeit mit Beratergrunzen und einer schnöden erstaunten Wiederholung des Unsinns schon Wunder bewirken. Gerade dies Schweigen macht solche Abwertungen erst möglich! Wie schön wäre es, wenn an solchen Stellen ein anderer aus dem Team einspringt: „Herr Müller, sollten Sie Anlass zu Kritik an Herrn Maiers Kompetenzen haben, dann bitte ich Sie, dies im persönlichen Gespräch zu klären. Ich würde gerne sachlich die Kriterien der Anschaffung weiter diskutieren“.
Ok, das braucht Mut. Zivilcourage. Aber es geht leichter, wenn es in freundlicher, lösungsorientierter und respektvoller Form geschieht. In dem Moment, in dem wir auf eine unsachliche und unhöfliche Aussage ebenso abwertend und kämpferisch einsteigen, ist es uns leider nicht gelungen, den Konflikt in Lösung zu transformieren. Manchmal gelingt es einem einfach nicht, die Kuh vom Eis zu bringen. Und es bedarf sicher der Übung, die Gelassenheitsnetzwerke im Großhirn zu aktivieren – und nicht im „Entweder Du oder ich“ des Reptilienhirns zu antworten.

Wir wissen heute, dass Depressionen oft an diesen Rändern entstehen, wo wir es unterlassen haben, unsere Würde zu schützen. Und es geht auch noch Jahre später, hinzugehen und zu sagen: Ich hätte es sehr geschätzt, Herr Maier, wenn Sie mir, sollten Sie Zweifel an meiner Kompetenz haben, es direkt im Vieraugen – Gespräch sagen. Das ist ruhige, wirksame Würde.

Verstehen wir uns richtig: Manchmal kann ein „Jetzt reichts“ ein „So nicht“, selbst ein „Geht’s nocht?“ ebenfalls zieldienlich sein. Wir sprechen hier von einer ersten Eskalationsstufe, die in allen Beziehungen und Hierarchie-Ebenen hilfreich ist.

Sollten diese ersten beiden Schritte (Beratergrunzen, erstaunte Wiederholung, Schweigen) noch nicht zum gewünschten Erfolg führen, empfehle ich die VW-Regel. Bitte sagen Sie in einem einfachen Satz Ihr gewünschtes Soll-Erleben: Herr Schulze, ich möchte in einem Unternehmen arbeiten, in dem es selbstverständlich ist, dass Männer und Frauen gleichberechtigt behandelt werden. Es würde mich sehr freuen, Sie entschuldigen sich für diese Aussage“.

Der Rest ist ca. 80 Jahre Üben…