Finger wund coachen

Zeit für Frühjahrsputz. Man coacht so ruhig vor sich hin. Man wird gerufen, hier ist ein Problem zwischen Führungskraft und Stellvertretung. Die jetzige Stellvertretung hat die Abteilung aufgebaut, und ihr wurde nach 10 Jahren eine Führungskraft vor die Nase gesetzt, der den Auftrag von der Geschäftsleitung erhalten hat, da mal ordentlich aufzuräumen. Man muss kein Coach sein, um zu sehen, dass das nicht gehen kann.
Die Stellvertretung boykottiert mittlerweile wichtige Prozesse, beide Protagonisten verbringen viel Energie und Gesundheit mit dieser vertrackten Situation. Was mich berührt ist:
Beide sind auf eine Art unschuldig, die Führungskraft leidet, weil sie sinnvoll arbeiten möchte, man macht bereits seit 4 Jahren Supervision – und es löst sich nichts. Beide werden daran krank, die Arbeit leidet.

Nicht mehr vom Gleichen. Wenn all dies und all das nicht gefruchtet hat, dann wäre es an der Zeit für Neues. Einer mindestens muss gehen. Muss loslassen.
Die Führungskraft hat einen Auftrag (aufzuräumen…), aber nicht die notwendigen Kompetenzen dafür erhalten. Sie kann nicht abmahnen, einstellen – sie hat keine Handhabe gegenüber einem Menschen, der, sichtlich verletzt, jetzt sein eigenes Werk zerstört. Man könnte jetzt versuchen, durch geschickte Machtmanipulationen dazu zu kommen, dass der geht, der der Abteilung am meisten schadet. Wenn man das kann.

Jedes Problem ist ein verkleidetes Ziel
Man könnte, wenn man eine Chefetage oder Personalabteilung hat, die klug und besonnen auf das gemeinsame Ziel, auf die gesamte Abteilung schaut, auch über Konsequenzen nachdenken. In manchen Betrieben wäre das Verhalten der Stellvertretung als Störung des Betriebsfriedens deklariert geworden und ein Fall für eine Abmahnung gewesen. Aber nicht hier.

Man könnte der Stellvertretung einen Raum der Würde geben. Die Lebensleistung zu honorieren. Sie begleiten in einen Abschied, in eine Übergabe – oder in eine kluge Stellvertretung hinein.

Aber bitte keine Supervision zwischen den beiden Protagonisten mehr. Da, wo sich das Problem zeigt, ist oft nicht die Problemursache. Es könnte eine Chance sein, Strukturen, Loyalitäten zu erkennen, zieldienlicher auszurichten – aber stattdessen wird es intern als ein Problem dieser beiden Persönlichkeiten angesehen, aber das ist es nicht (nur).

Das ist für mich wieder ein Fall, wo man an der falschen Stelle arbeitet. Ich habe da einmal den schönen Satz gehört „Ja, wir wissen schon, das Problem liegt bei unserem Vorstand, aber da können wir nicht ran, bitte coachen Sie da mal drumrum“.
Die Führungskraft hier in diesem Fall ist ein verantwortungsbewusster Mensch, sie nimmt den Auftrag ernst, leidet, dass sie diese Situation nicht lösen kann. Und wird, wenn das so weiter geht, diese Stelle verlassen müssen. Und wir haben wieder den Fall, dass zwei Menschen, die es eigentlich gut meinen, Schaden anrichten und zu Schaden kommen, weil eine Etage darüber nicht hingucken will.

Zeit für Frühjahrsputz also: Alles an seinen Platz. Führung ist Führung. Stellvertretung ist stellvertretende Führung.